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Staatsanwaltschaft Halle: Ermittlungen im Fall Oury Jalloh eingestellt

Nach sorgfältiger Prüfung der vorliegenden Erkenntnisse hat die Staatsanwaltschaft Halle die Ermittlungen zum Tod des Oury Jalloh eingestellt, weil das am 07.12.2012 von Amts wegen eingeleitete Verfahren keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Beteiligung Dritter an der Brandlegung ergeben hat und eine weitere Aufklärung nicht zu erwarten ist.

Die Auswertung der zahlreichen Gutachten verschiedener Fachrichtungen lässt nur den Schluss zu, dass der konkrete Ausbruch des Brandes, dessen Verlauf und das Verhalten des Oury Jalloh nicht sicher nachgestellt und nicht eindeutig bewertet werden können. 

Auch der von zwei verschiedenen Sachverständigen vorbereitete, gemeinsam durchgeführte und getrennt begutachtete Brandversuch vom 18.08.2016 hat keine sicheren Erkenntnisse erbracht. Es bleibt eine Vielzahl von Möglichkeiten denkbar, die zu widerstreitenden, sich teils wechselseitig ausschließenden Darlegungen der in die Auswertung einbezogenen Sachverständigen unterschiedlicher Fachbereiche führen.

Ein Inbrandsetzen des Oury Jalloh unter Verwendung größerer Mengen eines Brandbeschleunigers ist gutachterlich allerdings ausgeschlossen worden. 

Von besonderer Bedeutung ist auch, dass die beteiligten rechtsmedizinischen Sachverständigen davon ausgehen, dass Oury Jalloh bei Brandausbruch gelebt hat, und seine Handlungsfähigkeit und mithin eine Brandlegung durch ihn selbst nicht ausgeschlossen werden kann.

Die Anwälte der Hinterbliebenen werden nunmehr im gesetzlich vorgegebenen Rahmen Einsicht in die Akten erhalten. 

Eine Veröffentlichung der Verfahrensakten ist dagegen nach den Regelungen der Strafprozessordnung nicht möglich.


Zum Hintergrund:

Oury Jalloh wurde am Mittag des 07.01.2005 verbrannt in einer Polizeizelle des Polizeireviers Dessau aufgefunden. Er war dort verstorben.

Die Staatsanwaltschaft Dessau hat noch im Jahr 2005 wegen der Verursachung des Todes zwei Polizeibeamte des Reviers wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt. Nach dem Ergebnis der Ermittlungen und insbesondere aufgrund der damals vorliegenden Gutachten und der Spurenlage sowie den Ausführungen der angehörten Sachverständigen (Brandgutachter, Rechtsmediziner u.a.) erschien es als wahrscheinlich, dass der Brand vom Tatopfer selbst gelegt war.

Das Landgericht Magdeburg verurteilte einen der Beamten wegen fahrlässiger Tötung zwischenzeitlich (2012) zu einer Geldstrafe, weil dieser es als Dienstgruppenleiter unterlassen hatte, der nicht gebotenen Inhaftierung des Oury Jalloh entgegenzuwirken bzw. einem Gewahrsamsbeamten die Aufsicht über den Inhaftierten persönlich zu übertragen und er damit für dessen Tod mitverantwortlich war (21 Ks 8/10). Der andere Beamte war bereits zuvor vom Landgericht Dessau-Roßlau freigesprochen worden.

Im Zuge der landgerichtlichen Hauptverhandlung fielen dem damaligen Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Ungereimtheiten in Bezug auf den Ausbruch des Feuers auf, die ihn veranlassten, ein weiteres Todesermittlungsverfahren einzuleiten. Dieses führte zunächst zu keinen neuen Erkenntnissen. Nach Kenntnisnahme eines britischen Brandgutachtens (veröffentlicht durch Dritte Ende Oktober 2015) verdichteten sich Zweifel. Die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau hat daher den Versuch unternommen, den Brand nochmals nachstellen und interdisziplinär gutachterlich untersuchen zu lassen. Zu diesem Zweck fand im August 2016 ein Brandversuch in Bad Schmiedeberg statt.

Die ersten Auswertungsergebnisse lagen Ende 2016 vor. Die Feststellungen der beiden Brandsachverständigen waren sodann zwingend mit den bereits vorliegenden rechtsmedizinischen Gutachten, Brand- und Bewegungsversuchen sowie diversen Materialuntersuchungen (Fasern, Brandschutt, Feuerzeugreste) des Originalereignisses abzugleichen. Dazu gab es interdisziplinäre Gespräche und ergänzende schriftliche Anfragen. Seit April 2017 ist die sachverständige Bewertung des Brandversuchs als abgeschlossen anzusehen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg hat Anfang Juni 2017 von ihrem Substitutionsrecht gemäß § 145 Abs. 1 GVG Gebrauch gemacht und die weitere Bearbeitung des Todesermittlungsverfahrens Oury Jalloh der Staatsanwaltschaft Halle übertragen.