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Eröffnung der IAA : Rede von Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA)

Bild:  Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA)


Meine Damen und Herren,

Sie sehen: Die junge Generation stellt kluge Fragen. Nicht alle können wir heute schon im Detail beantworten.

Klar ist aber eines:
Morgen wird die Mobilität noch individueller, noch persönlicher sein. Freiheit, Identität, Emotion – all das wird auch morgen noch gefragt sein.

Digitalisierung, alternative Antriebe, Elektromobilität, neue Mobilitätskonzepte – wir befinden uns inmitten eines rasanten Wettlaufs.

Ein Wettlauf der Innovationen, der auf dieser IAA greifbar wird.
„Zukunft erleben“! Das ist das passende Leitmotiv.

Ob Hersteller oder Zulieferer,
ob Automobil-, IT- oder Tech-Branche,
ob etabliert oder Start-up,
diese IAA lässt die traditionellen Branchengrenzen hinter sich.

228 Weltpremieren.
64 Europapremieren.
32 Deutschlandpremieren.

Dies ist Ihr beeindruckendes Werk. Ich freue mich sehr, zu dieser IAA-Eröffnung eine solch große Zahl führender Unternehmensvertreterinnen und -vertreter begrüßen zu können. Ihnen allen, auch den Betriebsräten und Arbeitnehmervertretern ein ganz herzliches Willkommen!

Ladies and Gentlemen, To all our international guests and partners from abroad I would like to express a special warm welcome. We especially welcome our partners and exhibitors from Asia. We are very pleased to have you here in Frankfurt, some of you for the first time.

Eine ganz besondere Freude und Ehre ist es, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, Sie heute in unserer Mitte begrüßen zu dürfen. Dass Sie inmitten des Wahlkampfes den Weg zu uns gefunden haben – das ist für uns ein wichtiges Zeichen. Der Dialog ist heute wichtiger denn je.

Wir haben es Ihnen, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, in den vergangenen Wochen und Monaten nicht immer leicht gemacht. Diese Monate sind stark geprägt von Kritik und Misstrauen gegenüber unserer Branche. Deshalb möchte ich Ihre Anwesenheit nutzen, um nochmals eines klarzustellen:

In einzelnen Unternehmen unserer Branche – im Inland und im Ausland – sind gravierende Fehler passiert. 

Fehler, die nicht hätten passieren dürfen.
Fehler, die dem Selbstverständnis unserer Industrie widersprechen.
Fehler, die wir erkannt haben und denen wir mit aller Konsequenz nachgehen.

Wir sind uns bewusst, dass Vertrauen verloren gegangen ist. Dies zurückzugewinnen, ist unser zentrales Anliegen. Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, für alle, die in der Industrie Verantwortung tragen, kann ich sagen, dass wir nicht nur technische Fragen optimal lösen wollen. Integrität auf allen Ebenen hat für uns den gleichen Stellenwert.

Seien Sie versichert, dass die Verantwortlichen in unseren Unternehmen viele selbstkritische Fragen stellen. Die große Mehrheit – kleine und große Unternehmen – ist sensibilisiert dafür, ihr hohes Integritätsniveau zu halten. Andere arbeiten konsequent an der Aufarbeitung von Fehlern und ziehen die notwendigen Schlüsse.

Pauschale Urteile über die Automobilindustrie sind nicht gerechtfertigt. Die Fakten verlangen nach Differenzierung – nicht zuletzt im Interesse von über 815.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei unseren Herstellern und Zulieferern, die jeden Tag harte und ehrliche Arbeit leisten.

Selbstverständlich ist es auch unsere Aufgabe, die urbane Luftqualität weiter zu verbessern. So haben die deutschen Pkw-Hersteller zugesagt, über 5 Millionen Diesel-Pkw in Deutschland nachzurüsten. Das Ziel ist, die Stickoxidemissionen dieser Fahrzeuge im Durchschnitt um 25 bis 30 Prozent zu reduzieren.

Mit der Umstiegsprämie setzen viele Automobilhersteller ein zusätzliches Zeichen, um den Fahrzeugbestand in Deutschland zu erneuern. Die Flottenerneuerung forcieren und die modernsten Euro-6-Fahrzeuge auf die Straße bringen – so kann der technologische Fortschritt einen sofortigen und effektiven Beitrag für eine bessere Luftqualität und für den Klimaschutz leisten. Diese Strategien sind weit innovativer als pauschale Fahrverbote.

Wichtig ist, die Debatte rational, sachlich und differenziert zu führen. Dazu, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, bitte ich Sie sehr herzlich um Ihre Unterstützung.

Für uns ist klar: Der moderne Diesel gehört zu einem zukunftsfähigen und nachhaltigen Antriebsmix dazu. Die neueste Technologie zeigt, dass die Schadstoff-Grenzwerte – sowohl auf dem Prüfstand als auch auf der Straße – eingehalten werden.

Zudem verbraucht der Diesel bis zu 25 Prozent weniger Kraftstoff und hat wesentlich bessere CO2-Werte als ein vergleichbarer Benziner. Gerade im Fernverkehr ist der Diesel auch längerfristig nicht ersetzbar.

Die Luft in den deutschen Städten ist heute sauberer denn je und weit besser als in vielen Ländern der Welt. Die Emissionen des Straßenverkehrs sind bei uns derzeit 70 Prozent niedriger als zu Beginn der 1990er Jahre – obwohl das Verkehrsaufkommen zugleich erheblich gestiegen ist. Das ist ein großer Erfolg.

Entsprechend messbar sind auch die Fortschritte, die wir mit Blick auf die extrem anspruchsvollen europäischen Immissionsvorschriften erzielen. Erstmals werden 2017 an den deutschen Straßen die Vorgaben zur stündlichen Höchstgrenze eingehalten. Auch das belegt die gute Entwicklung.

Übrig bleibt lediglich der durchschnittliche NO2-Grenzwert, der an einzelnen Messstellen überschritten wird. Hier aber wirft ein Vergleich Fragen auf: Während auf der Straße nur 40 Mikrogramm erlaubt sind, gilt für Büroräume ein Richtwert von 60 Mikrogramm. Und für Gewerbe und Industrie gilt sogar ein Arbeitsplatzgrenzwert von 950 Mikrogramm.

Kann man eigentlich von einem sinnvollen Regulierungskonzept sprechen, wenn das Immissionsniveau in Innenräumen zum Teil viel höher ist und gesetzlich sogar viel höher sein darf? Rechtfertigt dieser Sachverhalt tatsächlich, mit Fahrverboten in Eigentum und Mobilität einzugreifen?

Auch die amerikanische Umweltbehörde EPA, die nicht als industriefreundlich gilt, schlägt für die Straße einen moderaten Grenzwert von 100 Mikrogramm vor. Demnach gäbe es in Deutschland keine relevante Überschreitung.

Zu den faszinierenden Zukunftsoptionen gehört es, den Verbrenner eines Tages mit klimaneutralen Kraftstoffen zu betreiben. E-Fuels werden auf Basis regenerativer Energiequellen, wie Sonne oder Wind, produziert. Sie binden bei ihrer Produktion in etwa die CO2-Menge, die bei ihrer Verbrennung freigesetzt wird.

Aktuell widmet sich die Deutsche Energie-Agentur dena diesem Thema in einer Studie. Die Ergebnisse werden in Kürze vorliegen. Bereits jetzt zeigt sich: E-Fuels können einen wichtigen Beitrag leisten zu einem langfristig klimaneutralen Verkehr.

Auch den Erdgasantrieb dürfen wir an dieser Stelle nicht vergessen – eine Verbrennungstechnologie, die auch von Umweltorganisationen gelobt wird. Unter dem Strich heißt das: Die Potenziale der Verbrennungsmotoren sind weiterhin enorm. Wer sie ungenutzt lassen will, der stellt Ideologie über umwelt- und klimapolitische Belange!

Klar ist: Ob groß oder klein, ob Hersteller oder Zulieferer – jedes einzelne Unternehmen dieser Industrie hat den Anspruch, den enormen Wandel mitzugestalten. Deshalb gibt es aktuell kein Geschäftsmodell, das nicht hinterfragt wird. Niemand verharrt im Status quo. Keiner will abgehängt werden. Deshalb laufen in den Betrieben bereits gewaltige Umbruchprozesse.

Angesichts dieser Dimension des Wandels ist es umso wichtiger, den technologischen Transformationsprozess politisch klug zu flankieren. In Europa sind Hersteller und Zulieferer längst über die Landesgrenzen hinweg untrennbar miteinander verflochten.

Ihnen, sehr geehrter Herr Vizepräsident Šef?ovi?, sehr geehrte Frau Kommissarin Bulc, und der gesamten EU-Kommission fällt mit Blick auf anstehende Regulierungen eine ganz besondere Verantwortung zu.

Für uns ist „Technologieoffenheit“ ein zentrales Stichwort. Bei aller Begeisterung für die Elektromobilität – mit regulatorischen Einbahnstraßen sollten wir sehr vorsichtig sein.

Für die Unternehmen ist die Elektromobilität der wesentliche Schwerpunkt ihrer F&E-Investitionen.

Rund 40 Milliarden Euro wird allein die deutsche Automobilindustrie bis 2020 für die Elektromobilität aufwenden. Im gleichen Zeitraum werden die deutschen Automobilhersteller ihr Modellangebot an E-Autos mehr als verdreifachen – von derzeit 30 Modellen auf knapp 100.

Auch die Brennstoffzelle hat große Sprünge gemacht, sie ist ebenfalls ein Baustein für die Mobilität von morgen.

Klar ist aber auch: Ohne eine funktionsfähige Infrastruktur wird die Elektromobilität den Durchbruch in den Massenmarkt nicht schaffen können. Hieran müssen wir in Deutschland und in Europa entschlossen weiter arbeiten. Die Aufgaben, die sich dabei im regionalen und städtischen Raum stellen, kennen Sie sicherlich besonders gut, sehr geehrter Herr Ministerpräsident Bouffier und sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Feldmann. Auch Sie begrüße ich an dieser Stelle sehr herzlich.

Ein Blick auf die Anzahl der Ladepunkte pro 1.000 Einwohner macht die Herausforderung klar: Hier liegt Frankfurt mit einem Wert von weniger als 0,1 im deutschlandweiten Mittelfeld. Berlin oder Hamburg liegen bei über 0,2. Andere internationale Städte sind aber noch weiter vorn. Oslo und Amsterdam kommen jeweils auf deutlich über 2, in San Francisco sind es knapp 4 Ladepunkte je 1.000 Einwohner.

Kurzum: Wir haben noch jede Menge Arbeit vor uns.

Keine Emissionen: Das ist unser visionäres Ziel für die mobile Zukunft. 
Unfallfreiheit ist ein weiteres. 
Der Weg dorthin führt über die Digitalisierung. Ihre Chancen und Potenziale vollständig zu nutzen – das erfordert neue Kooperationen über Branchengrenzen hinweg.

Auto-, IT- und Tech-Firmen: Wir können viel voneinander lernen. Wir können unser Know-how verschmelzen, um die besten Lösungen für die Kunden zu entwickeln.

Dieser Ansatz ist keine graue Theorie, sondern gelebte Praxis – auch das beweist diese IAA. Ein besonders eindrucksvolles Zeichen hierfür ist Ihre Anwesenheit:

Dear Sheryl Sandberg, it is a great pleasure for all of us to have you here. Facebook is one of our industry’s important partners – not only with respect to the New Mobility World.

Self-driving cars are one of the most important use cases for artificial intelligence. Pushing the boundaries of what cars can do – that is our common challenge.

Dass sich große IT- und Tech-Firmen hier präsentieren, unterstreicht die Ausrichtung der IAA. Über 250 Unternehmen und Organisationen sind auf der New Mobility World vertreten. Auch zahlreiche innovative Start-ups sind dabei – sie treten beim Startup-Wettbewerb NMW Lab17 gegeneinander an.

Disruptiv, innovativ und dialogbereit – das sind die Tugenden, die ein erfolgreicher Mobilitätsdienstleister mitbringen muss. Die Digitalisierung auf die Straße zu bringen, erfordert aber nicht zuletzt auch neue politische Leitplanken.


Sehr geehrter Herr Bundesminister Dobrindt, 
wir sind Ihnen sehr dankbar für Ihr Engagement, Deutschland zum Leitmarkt für vernetztes und automatisiertes Fahren zu machen. Zusammen sind wir mit Sieben-Meilen-Stiefeln unterwegs und begegnen dabei vielen neuen Fragestellungen. Mit der Ethik-Kommission, die Sie ins Leben gerufen haben, sind Sie an dieser Stelle nicht weniger als ein internationaler Vorreiter.

Automatisierte und digitalisierte Fahrfunktionen versprechen gerade für unsere Metropolen neue Chancen für mehr Effizienz und mehr Sicherheit. Natürlich hat hier die Sicherheit jederzeit Vorrang. Wie das in der Praxis aussieht, das können Sie ebenfalls hier auf der IAA erleben – auf der zentralen Freifläche, der Agora.

Autos lassen sich schon heute nicht mehr ohne Vernetzung denken. Dazu sind innovative Konzepte gefragt, die zugleich ausreichenden Schutz gewährleisten – für die Fahrzeuge, für die Hardware und natürlich auch für die Daten. Die Unternehmen haben dies erkannt und forcieren entsprechend ihre Investitionen.

Mit Blick auf die Daten, die im Fahrzeug generiert werden, hat die deutsche Automobilindustrie eine wegweisende Errungenschaft erzielt: Hersteller und Zulieferer haben unter dem Dach des VDA gemeinsam ein Konzept entwickelt, das die sichere Datenbereitstellung in einem freien Markt und mit einem fairen Wettbewerb ermöglicht. Dies ist der fruchtbare Boden, auf dem ein innovatives Ökosystem für neue Innovation entstehen kann.

Sie sehen die bunte Themenvielfalt, die unsere Unternehmen vorantreiben. Für die Automobilindustrie kommt diese IAA genau zum richtigen Zeitpunkt. Sie bietet eine besonders gute Gelegenheit, auf die Öffentlichkeit sowie auf ihre Kunden zuzugehen. Mit unserer Leistungsfähigkeit wollen wir neues Vertrauen in die Branche aufbauen.

Die IAA 2017 ist ein Gesprächsangebot in maximal unübersichtlichen Zeiten. 
Eine gemeinsame und mutige Wette auf die Zukunft.