Seine erste Saison als Audi-Teamchef in der Formel E ist zu Ende: Allan McNish (48) erlebte 2017/18 eine Achterbahnfahrt der Gefühle und ein Happy End mit dem Gewinn der Teammeisterschaft. Im Interview spricht der dreimalige Le-Mans-Sieger über die schwierigsten Momente, die besten Entscheidungen, seine Gedanken über die Zukunft der Formel E und warum es ein Luxus ist, mit Daniel Abt und Lucas di Grassi zwei so aggressive Fahrer im Team zu haben. Die erste Formel-E-Saison mit Ihnen als Teamchef war ein Krimi bis zur letzten Runde. Hat sich Ihr Puls seit dem Finale wieder beruhigt? Ich bin gleich nach dem Finale in New York mit meiner Familie in den Urlaub gefahren. Vor dem Wochenende wusste ich allerdings nicht, ob es ein entspannter Start in den Urlaub oder eher ein frustrierender werden würde. Mit unserem Erfolg im Gepäck hätte es dann nicht schöner sein können. Es war wichtig, für ein paar Tage loszulassen und abzuschalten. Seit ich wieder zurück bin, ist New York Geschichte. Mein voller Fokus liegt auf der nächsten Formel-E-Saison und dem Auftakt in Riad. Formel-E-Champion – wie klingt das für Sie? Klingt richtig gut, oder? Es ist überragend, was wir erreicht haben. Aber für mich ist noch viel entscheidender, wie wir diesen Erfolg erreicht haben: Gerade wenn man sich den Start in die Saison anschaut, dann war es alles andere als ein glatter Durchmarsch für uns. Stattdessen haben unser Team und unsere Fahrer tolle Moral und eine fantastische Aufholjagd gezeigt. Das ist etwas, was ich nie vergessen werde. Zwölf Punkte nach den ersten vier Rennen der Saison – was haben Sie da gedacht? Ich erinnere mich, wie ich nach einem weiteren Rennen mit null Punkten in Santiago aus dem Fahrerlager gegangen bin. Daniel wurde in der ersten Runde getroffen, und Lucas musste mit einem Problem am Inverter aufgeben. In diesem Moment sah alles danach aus, als wäre unsere ganze Stärke, die wir bei den Tests vor der Saison gezeigt haben, weg. Als wäre sie genauso verflogen wie die Chancen auf die Meisterschaft. Ich hätte damals nicht gedacht, dass wir den Titelkampf bis zum letzten Rennen offenhalten, geschweige denn gewinnen können. Was waren Ihre größten Herausforderungen als Teamchef in der Formel E? Diese Position im ersten Jahr von Audi in der Formel E zu übernehmen, war definitiv ein Lernprozess. Die größte Herausforderung war, dafür zu sorgen, dass jeder im Team fokussiert bleibt – auch wenn wir wie in Marrakesch oder Santiago harte Zeiten erlebt haben. Ich bin schon eine ganze Zeit im Motorsport unterwegs und weiß: Manchmal kannst du machen, was du willst, und es geht trotzdem schief. Aber ich weiß auch, dass irgendwann die Wende kommt. Deshalb durften wir nie unser Ziel aus den Augen verlieren. Das Team und die Fahrer haben in der zweiten Saisonhälfte Außergewöhnliches gezeigt, das hat mein Leben sehr viel leichter gemacht. Was würden Sie als Ihre beste Entscheidung in Ihrer neuen Rolle bezeichnen? Persönlich war meine beste Entscheidung, die Rolle überhaupt anzunehmen, denn ich genieße es wirklich jeden Tag. Eine der besten Entscheidungen als Team war sicherlich, Daniel weiter zu verpflichten und ihm damit die Chance zu geben, sich als Audi-Werksfahrer zu beweisen. Er ist gereift und hat seine Stärken gezeigt. Zudem nutzt er jetzt auch seine Erfahrung mehr. Ich freue mich, dass wir ihm mit hervorragender Unterstützung der Ingenieure in der Box ein gutes Auto geben konnten. Und ich bin mir sicher, er wird darauf aufbauen und nächste Saison den nächsten großen Schritt machen. Die zwei Siege, die er jetzt auf dem Konto hat, sind erst der Anfang. Und was würden Sie Lucas di Grassi nach dieser Saison ins Zeugnis schreiben? Nachdem wir unsere technischen Probleme losgeworden sind, stand Lucas sieben Mal in Folge auf dem Podium – das zeigt seine Klasse in Sachen Leistung, Konstanz und Entschlossenheit. Die Saison hätte für Lucas und die ganze Mannschaft nicht schlechter beginnen können und endete mit den meisten Podiumsplätzen, die je ein Team in der Formel-E-Geschichte in einer Saison geholt hat. Ich glaube, wir sind uns einig, dass das Niveau mit starken Fahrern und Teams sehr hoch war. Lucas hat trotzdem einmal mehr herausgeragt. Wer in New York die Pokale für Fahrer- und Teammeisterschaft in die Höhe streckt, der hat sie auch wirklich verdient. |